Quest Amore una Droga (12)

Veröffentlicht auf von Rodhus18

Tim ist seit einer Woche in Berlin und macht sein studienbegeitendes Praktikum. Ich komm abends nach Hause und ausser meinen neuen Eltern ist niemand da. Für sie bin ich jetzt der Benjamin, den sie ganz in Beschlag nehmen. Entweder hatten sie von Tim den Auftrag gut auf mich aufzupassen oder sie meinten mich ständig beschäftigen zu müssen, damit mir die Trennung nicht so schwer fällt. Die letzten Monate hatte ich nie alleine geschlafen und jetzt kann ich nachts nicht einschlafen und bin morgens total müde. Tim und ich, wir telefonieren abends über Skype und erzählen uns was am Tag so war und nachdem ich drängelte, kaufte er eine Cam, damit ich ihn wenigstens sehen konnte. Ich kaufte eine bei Saturn und erledigte damit erstmal meinen Computer, so das wir über Handy weiter telefonierten. Tim hatte dann am nächsten Wochenende meinen PC wieder ganz gemacht und die Cam eingerichtet. Bei der Gelegenheit sahen wir unseren ersten Pornofilm, nachdem mir jemand eine Downloadseite verriet, wo man die Dinger kostenlos laden konnte. Vielleicht ist es auch zu viel gesagt, wir haben ihn nicht bis zum Ende gesehen. Was ich gesehen hab, war für mich nicht neu aber viel zu lieblos und was interessiert Sex anderer Leute. Wir fanden beide das es real viel schöner ist. Für mich war ein Blick in Tims Augen erregender als jeder vielleicht noch so tolle Pornofilm und umgekehrt, da will ich lieber nichts schreiben, ich geh aber davon aus, es ist ähnlich. 

Sonntag abend fuhr Tim wieder nach Berlin und ich dachte an die Zeit, als wir ständig Abschied nahmen. Der Klos im Hals das Gefühl der Leere. Ich hatte es schon fast verdrängt und jetzt erlebte ich es jedes Wochenende neu. Abends spiel ich viel Gitarre und morgens renne ich vorm Frühstück 5 Kilometer Feldwege entlang und Philip, Tims Vater, rennt manchmal mit. Ich trainiere für den Stadtmarathon weil ich ständige denke, ich muß mich beweisen und Ziele auch erreichen. 

Ich lerne über ein schwules Internportal Sven kennen, in dem ich abends ab und zu stöbere. Sven schrieb mich an und sah verdammt gut aus. Tim hatte ich von ihm erzählt und er war froh, dass ich auch mal Kontakt zu anderen suche und Freunde finde. Sven fand es toll, dass ich ne Beziehung habe und wollte unbedingt wissen, wie es ist und auch alles über Tim erfahren. Manchmal haben wir stundenlang geschrieben, später auch telefoniert und ich fand ihn echt nett. Ich wollte ihn unbedingt Tim am nächsten Wochenende vorstellen. Sven war 18, jedenfalls stand das in seinem Profil. Ich hatte ja auch bei der Anmeldung zu dem Portal gelogen, weil man da erst ab 18 rein kam. 

Tim fand Sven auch nett, er meinte sogar, er wäre für ihn gefährlich, wenn er mir den Kopf verdrehte. Ich sah ihn als Freund an, mehr nicht. Unter der Woche haben wir uns dann allein getroffen. Er wohnte an meinem Heimweg und wir wollten etwas trinken gehen, bisschen quatschen und einfach abhängen. Heute hatten wir das Thema Fremdgehen, Sven wollte meine Meinung dazu wissen und fragte, ab wann man fremd geht. Was weiß denn ich. Darüber hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht. An diesem Abend erfuhr ich dann auch das er noch nie mit einem Mann „so richtig“ und ich total sein Typ sein. Shit ich saß in der Falle. So eine Situation hatte ich noch nie und ich wollte ihm weder weh tun noch lügen. Ich fand ihn ja auch total nett und wir loteten aus, ab wann denn nun fremdgehen gilt. Ein Kuss? Sicher nicht, wir küssen unsere Freunde auch zur Begrüßung oder beim Abschied. Also küssten wir uns und kuschelten und guckten eine DVD. Mehr war an diesem Abend nicht, obwohl ich für einen kleinen Moment nachdachte was wäre, wenn er anfängt intimer zu werden. 

Tim hatte ich über Netmeeting davon erzählt. Er fand das eine interessante Frage, ihm fehlte aber auch die Antwort darauf. Ich hatte Vorwürfe erwartet und fühlte mich schlecht, mit einem anderen gekuschelt zu haben, Tim sagte das er das oft auch mit Freunde gemacht hat, ohne je an Sex gedacht zu haben. Geborgenheit und sich Wohlfühlen ist nichts wofür man sich schämen muß. Bei Sex hörts allerdings auf, da muß man entscheiden was man will: Sex als Befriedigung oder als Höchstes in einer Beziehung. Das verstand ich sogar ohne weitere Nachfrage. Trotzdem müsste ich lügen, wenn ich sagen würde Sven bedeutet mir nichts. 
Das schöne Netmeeting erlaubte es mir dann auch, Tim davon zu überzeugen, dass ich Sex nicht als Befriedigung hatte und wir verfielen mal wieder in unsere Phantasien. Da war für Dritte kein Platz. 

Nach drei Monaten kam ich in eine andere Abteilung. Noch nie hab ich was langweiligeres gesehen, als Controling. Ich bin zwar gut in Mathe, aber nackte Zahlen im Vergleich bringen mir nichts. Patrick seh ich jetzt nur noch in der Kantine beim Mittagessen. Da Azubis in einem anderen Bereich sitzen, als leitende Angestellte, kommt er auch nicht dazu mit mehr zu reden als ne Begrüßung an der Essensausgabe. Seine Bewertung über mich fiel überraschend gut aus, brachte mir dann aber doch nur den Aufstieg 2 Etagen höher, wenn man es einfach sieht. Mit Sven treffe ich mich nur noch auf neutralem Boden, also in Cafès der Innenstadt und wir schreiben Mails. Ich schreibe HDL und er schreibt immer ILD zum Abschluß. Ich bin mir des Unterschiedes bewußt und ignorier das konsequent.Trotzdem denke ich es wäre nicht gut, wenn wir nicht darüber reden. Erst versuche ich es, in dem ich unmißverständlich klar mache, dass ich Tim liebe und Fremdgehen für mich ein Fremdwort ist. Er quittiert das mit der Bemerkung „ich kann warten“. Jede Beziehung geht schließlich mal zuende bis dahin wird er eben warten. Gut, wenn er denkt, denk ich mir, dann soll er eben warten und geh nicht weiter darauf ein. Wenn Tim sein Praktikum in Berlin abgeschlossen hat, hab ich sowieso weniger Zeit. Ich fange an mich nach einem Freund für Sven umzusehen und stöber stundenlang in den Profilen, nenn ihm dutzende Namen, die er sich mal angucken soll. Zu jung, zu alt, zu dick, nicht sein Typ.... er hatte an allen irgend etwas gefunden, was er abstossend fand. 

Selber schuld denk ich mir nur noch. Er ist 17 und sieht gut aus, er wird ja wohl noch jemand finden und kümmer mich nicht mehr weiter um sein Glück. Wenn man uns beide zusammen sieht, denk man wir wären ein Paar und prompt hat dann Tim auch erfahren, dass ich einen neuen Freund habe , mit dem ich im Café Rosa war. Sven tat aber auch wirklich alles um den Eindruck zu erwecken. Er stellte mich überall als sein Freund vor und ich mußte dann erstmal klar stellen, dass er einen Sprachfehler hat und einen seiner Freunde meinte und mein Freund eben in Berlin ist. 

Mich bringt das ganze ziemlich durcheinander. Ich liebe, ich werde geliebt aber plötzlich sind da mehrere Personen in meinem Leben die mich lieben und die ich, wenn auch unterschiedlich liebe. Ich versuche Liebe zu ergründen, erzähle Britta, Tims Mutter, davon und wir beide verfallen stundenlang in eine Diskussion. Sie ist einfach eine tolle Frau. Sie verklickert mir, dass meine Glücksgefühle nichts mit der eigentlichen Liebe zu tun haben, sondern ich als Spätzünder etwas erlebe, was für andere eine Selbstverständlichkeit ist. Anerkennung, die man mit Gefühlen belohnen will, Glück das man teilen möchte und noch jede Menge anderer Argumente. „Liebe ist wie eine Droge, oder wie der Italiener sagt, Quest Amore una Droga,. Wenn man sie einmal erlebt hat, sucht man die Steigerung“ meinte sie zum Abschluß und stellte dann fest, das Liebe einfach Liebe ist und keine Stiegerung kennt. „Aus Verliebtheit wird irgendwann vielleicht mal Liebe. Das erleben nicht sehr viele, denn Liebe heisst den anderen auch mit seinen Fehlern zu lieben, wie er ist eben.“. 

Im Bett hab ich dann nachgedacht, was ich an Tim mag und was nicht. Er nennt mich Hase. Ich mag das nicht, wenn mich jemand so nennt. Aber ich liebe es, weil er es sagt. Er fährt beim Autofahren zu dicht auf. Ich mag das nicht, aber bei ihm fühl ich mich sicher. Ich finde seine Haarfarbe nicht toll, aber ich würde sie vermissen, wenn er sie ändert. Ich will nicht weiter nachdenken. Bei Sven hab ich dutzende Sachen entdeckt, die mich stören und die ich nicht akzeptieren würde. Ich glaub ich habs begriffen und muß nicht weiter ergründen was Liebe ist: ich lebe sie! 

 Im nächsten Block berichte ich über meine Arbeit in Nepal und Tim's Unfall, bei dem er sein Gedächtnis verlor.
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